Das Wahlergebnis ist enttäuschend. Auch ich persönlich bin nicht zufrieden. Trotz 14.000 geklingelter Haustüren, unzähligen Hospitationen in Einrichtungen, über 400.000 Online-Interaktionen, Sprechstunden, Veranstaltungen und Infoständen ist der Abstand zum Grünen und CSU-Kandidaten groß. Wir haben versucht, vor allem diejenigen zu erreichen, die sonst nicht wählen gehen. Wir waren dort, wo das SPD-Potenzial früher hoch war und jetzt ein erhöhter Zuspruch zur AfD zu befürchten war.
Mein grüner Mitbewerber hat es sich einfach gemacht und mit dem knappen Ergebnis zwischen ihm und dem CSUler bei der Wahl 2021 um SPD-Erststimmen geworben.

Ich bin stolz darauf, dass es ihm nicht geglückt ist und ich trotz massiver Anti-Kampagne in fast allen Stimmbezirken sogar etwas mehr Erst- als Zweitstimmen für die SPD gewinnen konnte.
Ein Wahlkampf braucht eine Erzählung

Die Kampagne 2021 war in sich schlüssig und anschlussfähig: Respekt – für deine Lebensrealität, deine Arbeit, deine Sorgen und Nöte. Diese Erzählung passte sehr gut zu dem, was ich selbst als Pflegekraft, die sich in der Pandemie entschließt, für ein Bundestagsmandat zu kandidieren, erzählen konnte.
Die Erzählung 2025 war: Mitte. Stabilität. Sicherheit.

Diese Erzählung habe ich – und viele meiner Mitstreiter*innen – nicht gefühlt. Wer oder was ist diese Mitte? Fritze Merz mit dem Privatjet? Die Altenpflegerin, die in München keine Wohnung findet? Weder gibt es eine sinnvolle Definition dieser „Mitte“ noch gemeinsame politische Fragen.
In Zeiten, in denen die Realität der Menschen Unsicherheit, Belastung durch Preissteigerungen und Krieg in Europa ist, war es mit einer „Mitte“-Kampagne, verkörpert durch Kanzler Scholz, nicht möglich, die vorhandenen sozialdemokratischen Antworten auf reale Probleme und notwendige Veränderungen zu transportieren.
Klar besteht immer die Möglichkeit, sich mit der eigenen Kampagne von der SPD abzugrenzen – ich persönlich halte das für unsolidarisch und nicht hilfreich für den Zusammenhalt der Partei. Und was nützt schon der eigene Erfolg, wenn die Partei nicht davon profitiert?
Nicht gegeneinander, sondern gemeinsam
Eine Frage, die mich gerade beschäftigt: Wie kommen wir raus aus dieser Polarisierung CSU gegen Grüne in München? Sie überlagert jetzt schon die zweite Bundestagswahl und ist auch bei der Europawahl und Landtagswahl präsent. Ich glaube, in München gibt es das Bedürfnis, nach einer Sozialdemokratie, die nicht nur Mehrheitsbeschaferin für Grün oder Schwarz ist, sondern eine eigenständige Vision ein sozial gerechten und einer zukunftsfähigen, klimagerechten Gesellschaft für die vielen, nicht nur die die es sich leisten können.
Ja, der ländliche Raum braucht mehr Aufmerksamkeit – aber nicht im Gegenzug zur Stadt. Es ist kein Stadt-gegen-Land, sondern Stadt und Land.
Ein eindrückliches Erlebnis
Ich hatte ein eindrückliches Erlebnis im Wahlkampf: Ich habe in einer Einrichtung der stationären Langzeitpflege hospitiert. In der Frühstückspause sagte eine Kollegin: „Sehen Sie, da draußen ist sozialer Wohnungsbau entstanden“, und zeigte aus dem Fenster. „Da wohnen nur Migranten und ich wohne mit meinen zwei Kindern in einer kleinen Zweizimmerwohnung und bekomme keine Wohnung.“
Ich verstehe ihren Ärger. Es muss sich in ihren Ohren wie Hohn anhören, wenn wir sagen: Wir sorgen dafür, dass Wohnen in München bezahlbar bleibt. Denn das ist es nicht, wenn man über die Hälfte des Monatseinkommens für Miete ausgibt.
Was nützt es, das Richtige zu wollen, wenn die Maßnahmen nicht oder nicht ausreichend bei denen ankommen, denen sie nützen sollen?
Sozialdemokratie muss beides tun
An mich wurden oft zwei Bedürfnisse adressiert, die auf den ersten Blick gegensätzlich klingen: ein klares sozialdemokratisches Profil und zugleich Kompromissbereitschaft und Konstruktivität in der Regierung. Die Sozialdemokratie muss beides tun und verstehen, dass die unterschiedlichen Aufgaben von unterschiedlichen Akteuren bespielt werden müssen.
Die Genoss*innen, die vermutlich Teil der nächsten Bundesregierung sein werden, müssen mit klaren Linien verhandeln und das tun, was ihnen – was uns – die Bevölkerung gerade noch zutraut: die soziale Härte einer Merz-Kanzlerschaft abfedern.
Wir Sozialdemokrat*innen ohne Mandate haben umso mehr die Aufgabe, immer wieder laut zu formulieren, wie 100% sozialdemokratische Politik aussehen könnte.
Wir müssen aufhören, den Kompromiss mitzudenken. Wir können keine Glaubwürdigkeit neben der Regierungsverantwortung zurückgewinnen, wenn die Menschen erst wieder in 3,5 Jahren davon hören, wie die Vorschläge der Sozialdemokratie für eine gerechtere, solidarischere Gesellschaft aussehen.
Dazu gehört insbesondere aufzuzeigen, wie substanzielle materielle Verbesserungen, Verteilungsgerechtigkeit, soziale Sicherheit und Zukunftsperspektiven – insbesondere für Kinder – realisiert werden können. Die Aufgabe der Partei ist es, sich jedem Treten nach unten entschieden entgegenzustellen und klarzumachen:
➡ Durch keine Bürgergeld-Sanktion, durch keine Abschiebung wird das Leben derjenigen besser, die von ihrem Monatslohn über die Runden kommen müssen.
➡ Die Ungerechtigkeit dieser Gesellschaft liegt darin, dass Superreiche von jeder Krise profitieren
Ich finde, in einem Punkt hat Christian Ude definitiv recht:
Die Partei wird als zu akademisch und elitär wahrgenommen.

Und was ist künftig meine Rolle?
Deswegen werde ich mich weiter engagieren. Im Bezirksausschuss, in Parteigremien, im vorpolitischen Raum, in der feministischen Arbeit. Ich möchte denen die Hand ausstrecken, die sich bislang nicht engagieren
Eine starke Partei braucht engagierte Rolemodels mit authentischen Biografien. Als Schichtarbeiterin, als Frau und Mama biete ich dafür sehr gerne eine Projektionsfläche an.
Ich lade dich ein: Kämpf mit!